Selbstexploration - Erforsche deine Gefühle, junger Padawan
Selbstexploration, was soll das denn jetzt wieder? Und ist der Begriff so spannend, dass der Herr Rakowski einen Text darüber verfassen muss? Er ist in jedem Fall so relevant, dass der Herr Rakowski das dringende Bedürfnis verspürt, hierzu einen Text zu verfassen. Und wenn auch nur eine einzige Person diesen kleinen Text liest, dann war es das doch schon wert.
Exploration bedeutet bekanntermaßen Entdecken, Erkunden oder auch Erforschen. Hier also: Sich selbst erforschen, sich selbst besser kennenlernen, neue Eindrücke über sich selbst erfahren. Und gerade letzteres ist so interessant, da diese neuen Erkenntnisse über sich selbst entstehen, ohne dass eine andere Person irgendwelche externen Eindrücke hinzugibt. Verrückt! Wie kann das denn sein? Hier tritt genau das Phänomen in Erscheinung, dass die Personzentrierten Berater und deren Verfechter so gerne als „am Rande der Gewahrwerdung“ bezeichnen. In uns selbst existieren Gedanken, Ideen, Einstellungen zur eigenen Person, die wir eben nicht täglich auf dem Tablett vor uns hertragen. Anteile eines Selbstbildes, welche wir vielleicht erfolgreich verdrängt haben, abgespalten haben, die nicht dem Ideal entsprechen, die nicht willkommen sind, die schmerzen, die wir aus den unterschiedlichsten Gründen nicht haben wollen, nicht sehen wollen, die, auch unbewusst, weit weggeschoben wurden, die vielleicht auch noch nie erfahren wurden. Dennoch existieren diese Anteile und ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder Leser und jede Leserin (im Folgenden benutze ich aus Gründen der besseren Lesbarkeit die feminine Form) derartige verborgene Anteile kennt. Denken wir nur an Verhaltensweisen von uns sonst sehr lieben Personen, die als Trigger empfunden werden, bei denen man an die Decke gehen möchte, bei denen jedes Verständnis für die sonst so lieb gewonnene Person fehlt. Und letztlich weiß man, dass das auch irgendwie das eigene Thema ist, aber warum man so dermaßen auf diese Verhaltensweise anspringt?? Mhhh, muss wohl was mit der frühesten Kindheit zu tun haben… Aber das ist ein anderes Thema…
Die hier behandelte Selbstexploration dient genau dem Erkunden dieser Bereiche. Die schwer greifbaren Ideen, die am Rande der Gewahrwerdung liegen, sollen ins Zentrum des Bewusstseins gerückt werden, sollen greifbar, erfahrbar gemacht werden, sollen in das Selbstkonzept integriert werden. Wir sprechen an dieser Stelle auch gerne von dem Auflösen von Inkongruenzen. Aber wie erfolgt nun dieser Prozess? Denkbar einfach: Die Klientin spricht über ihre eigenen emotionalen Erlebnisse, über eigene gefühlsmäßige Bewertungen, über Erfahrung, darüber wie sie diese versteht, welche Gedanken hierzu existieren. Selbstverständlich bedarf es hierzu einer gehörigen Portion Vertrauen und Mut und Sicherheit. Die Klientin muss sich öffnen können, muss ohne Scham, Skepsis und Scheu ihre Themen ausbreiten und behandeln können und dürfen. Hierzu bedarf es einer Begegnung, eines Beziehungsangebotes, welches von bedingungsloser Wertschätzung, Kongruenz und empathischem Verstehen geprägt ist. Diese drei Grundpfeiler, welche uns ja in der Personzentrierten Beratung fortwährend begegnen, bilden die optimalen Voraussetzungen für ein Beziehungsangebot ab, das es der Klientin ermöglicht, sich selbst mit sämtlichen Gedanken, Themen, Problemen und Nöten zu erkunden und offen auszusprechen, was lange unaussprechlich war. Und gerade über diese Form der Begleitung, der Beratung gelingt es, selbst mehr Klarheit bezüglich der eigenen Themen zu gewinnen und sich aktiv mit diesen, mit ihrer Entstehung, mit ihrer Manifestation, aber auch ihrer Abwendung zu befassen, also dauerhafte Veränderungen und Abkehr von alten Verhaltensweisen und Gedanken zu erzeugen. Der deutliche Zusammenhang zwischen einer umfassenden Selbstexploration und einer konstruktiven Veränderung, manch einer mag von Persönlichkeitsentwicklung sprechen, ist zu alledem empirisch belegt. Wer hierzu eine Quelle benötigt: Sabine Weinberger: ‚Klientenzentrierte Gesprächsführung‘ im Beltz Juventa Verlag.
Nochmal zusammengefasst: Selbstexploration ist entscheidend, um sich selbst, eigene Gefühle, eigene Bewertungen, eigene Verhaltensweisen besser verstehen zu lernen, was wiederum die Fähigkeit der Krisenbewältigung maßgeblich verbessert und somit die Möglichkeit schafft, künftigen Krisen selbstbewusster und sicherer begegnen zu können. Optimale Voraussetzung für eine derartige Selbstexploration stellt die Begegnung bzw. das Gespräch mit einer Person dar, welche aktiv zuhört und eine wertschätzende, einladende Gesprächsatmosphäre schafft, ohne zu urteilen, ohne Ratschläge zu geben, ohne eigene Themen und Erfahrungen in den Fokus zu rücken. Kurzum: Der Raum zur Exploration gehört der Klientin, die Beraterin unterbreitet lediglich ein Beziehungsangebot, das eben diesen Raum und die aktive Auseinandersetzung mit sich selbst ermöglicht.
Ich möchte noch einen ganz kurzen Exkurs zur Paartherapie, Eheberatung etc. geben. Selbstexploration klingt jetzt sehr nach einem ganz essentiellen Prozess, den die Betroffene mit sich selbst durchlebt. Klassische Einzelberatung möchte man meinen. Ist auch richtig, zum Teil. In der Paarberatung geschieht es nun ebenfalls, dass eine Person die Möglichkeit hat, frei zu explorieren. Und die andere Person, die Partnerin, muss erstmal nur zuhören, den Gedanken, den Zweifeln, den Sorgen, den Ängsten, der Wut und allem weiteren. Und allein dieser Aspekt bewegt, bedeutet und bewirkt schon unheimlich viel. Auf dieses besondere Merkmal der Paartherapie werde ich nochmal an andere Stelle eingehen. In diesem Text geht es um die Bedeutsamkeit der Selbstexploration, welche eben auch integraler Bestandteil der Paartherapie ist. In diesem Sinne: Lernen Sie sich selbst besser kennen, erkunden Sie Ihre Gefühle, für sich selbst, auch für ihre Beziehung.
Und ich scheue mich ein wenig dies zu sagen, da ich diesen Text nicht zu einem Werbepamphlet degradieren möchte und ich offensive Beratungseinladungen als eher unangenehm empfinde und ich fürchte, dass sie folgende Aussage eben genauso verstehen können… Dennoch: Wissenschaftlich fundierte Gesprächsführung hilft. Personzentrierte Beratung hilft. Wertschätzende, kongruente, empathische Begleitung hilft. Suchen Sie sich die guten Leute, machen Sie sich auf Ihren Weg. Mit der richtigen Unterstützung fällt dieser leichter als sie heute womöglich denken.